Studierende der Agrar- und Ernährungswissenschaften der Exzellenz Universität Bonn lernen jeweils im Wintersemester aktuelle Herausforderungen, Modelle und Methoden im Krisen-, Risiko- und Qualitätsmanagement kennen. Das seit Jahren von Frau Professor Dr. Brigitte Petersen als freies Wahlmodul angebotene Fach wird inzwischen von vielen Studierenden aller Masterstudiengänge der Landwirtschaftlichen Fakultät gewählt. Denn das Modul ist im Service Learning Format konzipiert und die Prüfung am Semesterende wird zum Nachweis einer der erforderlichen Leistungen bei der studienbegleitenden Zusatzausbildung für das Zertifikat EQA-Risk & Crisis Manager anerkannt.
Ein Lernziel für die Studierenden in diesem Wintersemester ist, die richtigen empirischen Methoden anzuwenden, um Organisationsformen und Entscheidungsabläufe in Krisenstäben, Task Forces und privaten ehrenamtlichen Hilfsnetzwerken voneinander unterscheiden und in ihrer Effizienz bewerten zu können.
Warum entscheidende Verhaltensmuster in der Katastrophenhilfe auch sehr stark von der Ausbildung, den Kompetenzen und praktischen Erfahrung eines Agraringenieurs geprägt sein können, erfuhren die Studierenden in der Vorlesung am 28. Oktober von Markus Wipperfürth.
Als Gastdozent schilderte er in einer über Zoom und Facebook übertragenen Präsenzveranstaltung, wie er als Spontan-Helfer die ersten fünf Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 an der Ahr erlebt doch vor allem wie er eigenverantwortlich gehandelt hat. Das Erlebte und die sein weiteres Leben prägenden dramatischen Erfahrungen hat er in einem multimedialen Zeitdokument festgehalten. Aus diesem kürzlich erschienenen Buch las Markus Wipperfürth einzelne Passagen vor und stellte sich den Fragen der Studierenden.
Nach seinem Studium der Agrarwissenschaften in Bonn übernahm Wipperfürth seinen elterlichen Betrieb in der Nähe von Köln und baute ihn zu einem der erfolgreichsten Ackerbau- und Lohnunternehmen in der Region aus. Trotz kritischer Wetterlage und Gefahr von Hochwasser für seinen eigenen Betrieb, folgte er am frühen Morgen nach der Flutnacht dem Aufruf eines Berufskollegen aus Fulda, sich zum Hilfseinsatz an der Ahr in Grafschaft zu treffen. Keiner konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, wie viele Tode, Schwerverletzte und um ihr sämtliches Hab und Gut gebrachte Menschen die Flut in den Stunden davor hinterlassen hatte. Auf einer Länge von fast 70 km zerstörte die Ahr und weitere Flüsse und Bäche Leben, Häuser und Infrastruktur und versetzt bis heute noch fast 42 000 Betroffene in einen immer noch quälenden Ausnahmezustand. Viele leiden nach 15 Monaten immer noch unter den schweren existenzbedrohenden und psychischen Belastungen.
Mit den Spontan-Helfern wie Markus Wipperfürth und seinen Berufskollegen kam nach der Flutwelle die Welle der Solidarität mit. Ein nie zuvor da gewesener Hilfseinsatz von Tausenden von Privatpersonen bewegte nicht nur die Betroffenen.
Den Titel des Buches „Wegen Dir bin ich hier“ wählte Markus Wipperfürth deshalb, weil er ihn selber bei seinen Hilfseinsätzen seinen Mitstreitern gegenüber oft ausgesprochen hat. Aber gleichzeitig hörte er diesen Satz von vielen Helfern, die er über seine sozialen Medien erreichte und motivierte, an die Ahr zu kommen und tatkräftig mit anzupacken.