Lebenslanges Lernen in einer digitalen Welt: EQAsce arbeitet intensiv für hochwertige Bildung
Im Interview schildern die beiden Gründungsmitglieder und Vorstand der Europäischen Genossenschaft, Prof. Dr. Brigitte Petersen und Dr. Thomas Lettmann, warum lebenslanges Lernen, neue digitale Lernumgebungen und Bildungsnachweise jetzt schon die Arbeitswelt für Nachwuchs- und Führungskräfte in der Agrar- und Ernährungswirtschaft umkrempeln.
EQA: 2015 ist die Europäische Genossenschaft Education and Qualification Alliance (EQAsce) von einem Alumni-Netzwerk und einem wissenschaftlichen Team des International FoodNetCenters der Universität Bonn (FNC) als Start-up gegründet worden. Wie kamen Sie als Initiatorin des Genossenschaftsmodells und Professorin des 2014 auf die Geschäftsidee?
Prof. Dr. Petersen: Ich bin 2014 von Studierenden und Ehemaligen für diese Auszeichung nominiert worden. Ausschlaggebend war das Engagement meines Teams am FCN bei der Förderung und Begleitung beruflicher Karrieren unserer Absolventen und Absolventinnen schon während und unmittelbar nach dem Studium. Denn wir haben Nachwuchs- und zukünftigen Führungskräften das Rüstzeug für neue Berufs- und Aufgabenfelder im überbetrieblichen Qualitätsmanagement mitgegeben
EQA: Zur Karriere-Begleitung gehörte also die Zusatzausbildung zum DGQ-Quality System Manager Junior, die Sie als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ e.V.) 1998 als Bonner Modell eingeführt haben. Gab dieses Modell den Anstoß für die Geschäftsidee von EQAsce?
Prof. Dr. Petersen: Ja, die zunehmende Nachfrage Studierender aller Studiengänge der Landwirtschaftlichen Fakultät in Bonn sowie anderer Agrar-Hochschulen aus unseren EU-Projekten brachten uns auf die Idee. Der Erfolg unseres Bildungsangebots mit EU-weit anerkanntem Zertifikat zeigte sich vor allem an der stetig wachsenden Nachfrage von Unternehmen und Organisationen nach Berufseinsteigern mit dieser Zusatz-Qualifikation.
EQA: Warum haben Sie sich als Beratungsunternehmen daran beteiligt, eine Europäische Genossenschaft zu gründen, in der ein speziell zugeschnittenes Fortbildungsangebot im Sinne eines lebenslangen-Lernen-Ansatzes entwickelt wird?
Dr. Lettmann: Fest stand bei allen 23 Gründungsmitgliedern aus Wissenschaft und Wirtschaft, dass gerade im Bildungsbereich der genossenschaftliche Leitsatz „was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“ von besonderer Bedeutung ist. Denn nur wenn sich öffentliche und private Bildungsträgern und Leistungsträger aus der Wirtschaft zusammenschließen, lassen sich internationale Standards im Qualitätsmanagement zukunftsweisend weiterentwickeln.
EQA: Inzwischen bietet EQAsce ein Portfolio unterschiedlicher Qualifikationen und Lernformaten nach einem in EU-Gremien abgestimmten Standard an. In internationaler Zusammenarbeit sind sowohl maßgeschneiderte Studien- als auch berufsbegleitende Weiterbildungsprogramme mit EU-weit anerkannten Zertifikaten entwickelt und in die Praxis eingeführt worden. Welche Verantwortungsbereiche und neue Aufgabenfelder haben Sie dabei im Blick?
Dr. Lettmann: Unsere Angebote haben wir auf Berufstätige in der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie im Life-Science oder One Health Bereich ausgerichtet.
EQAsce organisiert mittlerweile die Personenzertifizierung bezogen auf Zertifikate für die sieben Aufgabenfelder
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- Food Chain Management
- Food Safety and Health Management
- Risk and Crisis Management
- Animal Health and Welfare Management
- ICT and Lab Management
- Soil Health Management
- Nachhaltigkeitsmanagement
EQA: Warum war für die Gründung der Genossenschaft auch der Zeitpunkt so entscheidend?
Prof.Dr. Petersen: Im selben Jahr – 2015 – veröffentlichten die Vereinten Nationen die 17 Nachhaltigkeitsziele. Nur ein Jahr später wurde der 24. Januar als weltweiter Tag der Bildung festgelegt.
In der Vision & Mission der EQAsce und ihrem Leitbild haben die Mitglieder und Führungsgremien der Genossenschaft vier Nachhaltigkeitsziele festgelegt, auf die wir unsere Kooperationsprojekte schwerpunktmäßig ausrichten:
EQA: Der Januar 2024 ist in Deutschland geprägt durch Bauerndemos und Proteste gegen zu viel Bürokratie und zu wenig Verständnis für die Existenzangst vieler Familienbetriebe in der Land- und Forstwirtschaft, dem Lebensmittelhandwerk und der Gastronomie. Wie unterstützt die Genossenschaft mit ihren Dienstleistungen Berufstätige in diesen Branchen, die das Gefühl haben, in ihrer Arbeitswelt muss derzeit alles umgekrempelt werden?
Dr. Lettmann: Das Gefühl täuscht nicht, denn die meisten von ihnen stehen in ihren Unternehmen vor der Herausforderung, gleichzeitig digitaler, nachhaltiger und resilienter zu werden. Ohne ein Bündel gut aufeinander abgestimmter Dienstleistungen und ohne eine begleitende Beratung in allen Phasen der Veränderungen von Prozessen und Verantwortlichkeiten ist dies eine von kleinen Unternehmen kaum zu bewältigende Herkulesarbeit. Deshalb hat EQA in den letzten Jahren bewusst gemeinsam mit und für KMUs in besonderen regionalen oder grenzübergreifenden Wertschöpfungspartnerschaften drei untereinander kombinierbare hybride Dienstleistungspakete entwickelt. Dies sind:
Q-Farm-HUB als Kombination einer Face-to-Face Beratung zur Koordination der Kommunikation zwischen Marktpartnern in regionalen und grenzübergreifenden Wertschöpfungspartnerschaften. Die digitale Komponente dabei ist eine webbasierte Cloud-Lösung.
Q- CERT- Wallet als eine Kombination eines Prozesses der Zertifizierung von Personen und das Bereitstellen einer lebenslangen nutzbaren digitalen Sammelmappe. Das persönliche Wallet ist gedacht für digitale Bildungsnachweise und Prozess- oder Systemzertifikate. Sie werden blockchain gesichert und derjenige, wem das Wallet gehört entscheidet, wer die Zertifikate zu welchem Zweck über einen speziellen QR-Code öffnen darf.
Q-Guide als ein webbasiertes Suchportal für Berufstätige in der Agrar- und Ernährungswirtschaft, um maßgeschneiderte und von EQA anerkannte Qualifizierungsangebote unterschiedlicher öffentlicher und privater Bildungsanbieter schnell zu finden. Kurse im Management-Bereich sind übersichtlich vorsortiert, was die Zeit zur Auswahl eines Anbieters und schließlich die online Buchung erheblich verkürzt. Bei der Bereitstellung einer Übersicht aller aktuellen Qualifizierungsmöglichkeiten handelt sich um eine wissensintensive Dienstleistung. Denn hierzu sind Branchenkenntnisse erforderlich, um nur anerkannte Angebote online zu stellen.
EQA: Für welche Zielgruppen sind diese drei hybriden Dienstleistungspakete gedacht?
Prof. Dr. Petersen: Es sind grundsätzlich zwei Gruppen, für die wir Service-Anbieter sind:
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- Personen, die am Berufsanfang stehen, eine Karriere in Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft anstreben und wissen, dass das lebenslange Lernen Prinzip heute zum Berufsalltag gehört. In Deutschland allein sind dies Studierende von 13 Universitäten und Hochschulen mit Studiengängen in den Agrar- und Ernährungswissenschaften sowie Auszubildende in mehr als 400 000 Ausbildungsbetrieben für die „grünen Berufe“ und die Gastronomie
- Unternehmen, die die Vorteile strategischer Wertschöpfungspartnerschaften erkannt haben und land- und forstwirtschaftliche Betriebe als Startpunkt für fünf sehr unterschiedliche Kunden-Lieferanten-Beziehungen bei der Erzeugung nachhaltiger materieller und immaterieller Produkte erkannt haben.
EQA: Wie sprechen Sie diese Zielgruppen an?
Dr. Lettmann: Über unsere EQA- Mitglieder und unsere Kooperationspartner in zahlreichen F&E Projekten. Wir sprechen vor allem Unternehmen an, die ihren Nachwuchs- und Führungskräften über Trainingsprogramme der EQA-Academy berufsbegleitend qualifizieren wollen. Über sie erhalten die Betriebe neues externes Wissen, was insbesondere mit Blick auf die digitale Transformation meist dringend gebraucht wird.