Interview des Monats August
Nach einer kleinen Sommerpause melden wir uns mit dem Interview des Monats wieder: Dieses Mal haben wir mit Prof. Dr. Emma Maldonado von der Universidad Autonoma Chapingo gesprochen. Sie gibt Einblicke in die EQAsce-Arbeit und die Situation in Mittel- und Südamerika.
EQA: In der Nahrungsmittel-Produktionskette werden weltweit immer häufiger Qualifikationsnachweise verlangt. Steigt die Nachfrage auch in Mittel- und Südamerika?
Prof. Dr. Emma Maldonado: Also, bei uns wird nicht so viel verlangt. Amerika ist ein großer Kontinent. Und was die Menschen in den USA und Kanada verlangen, das ist ein hohes Level an Erwartungen und Sicherheit. Diese Länder haben auch viele Vorgaben, um ihre Mitarbeiter entsprechend zu qualifizieren. Die Situation in Mexiko ist eine andere: Dort ist das Management entlang der Lebensmittelproduktionsketten zwischen dem Nordteil und dem Südteil des Landes unterschiedlich. Die Produzenten aus dem Norden des Landes exportieren viel in die USA und nach Asien (Korea, Japan) und müssen die Vorgaben von dort erfüllen. Die Produzenten aus dem Süden sind weniger an internationalen Standards orientiert, als vielmehr an den nationalen. Auch die Ausbildung ist dort etwas lockerer gehandhabt.
In Mittelamerika splittet es sich ebenfalls: Dort gibt es Unternehmen, die auch die internationalen Standards erfüllen und dann wiederum viele, die das nicht tun.
Wir haben vor kurzem eine Studie zu zwei Unternehmen durchgeführt: Eines war in Mexiko angesiedelt, das andere in Chile. Das mexikanische Unternehmen kam aus einer der wichtigsten Gebiete für die Fleischerzeugung. Es exportierte in die USA, ein bisschen was nach Korea und es wollte auch in die arabischen Länder exportieren, die ja sehr strenge Vorgaben haben. Das Unternehmen in Chile hat in die Europäische Union und die arabischen Länder exportiert. Einige mussten internationale Standards erfüllen, bei anderen reichten die nationalen Standards aus. Die Haupterkenntnis lag aber in der jeweiligen Ausbildung: Die Angestellten in Chile hatten eine viel bessere und zertifizierte Ausbildung, als die Arbeitenden aus Mexiko. Auch die Arbeit in Chile hat sich genau an die Vorgaben gehalten, wie man es auch von Deutschland allgemein kennt. In Chile hatten sie alles Schritt für Schritt abgearbeitet und alles war dokumentiert und geordnet.
EQA: Gleiche Standards sind auf dem Weltmarkt wichtig: Andernfalls könnten Bestimmungen zu Hygiene und Tierwohl durch Importe aus Drittländern umgangen werden. Inwiefern haben die südamerikanischen Länder ein Interesse an harmonisierten Standards?
Prof. Dr. Emma Maldonado: Also das Bewusstsein für derartige Dinge ist in Mexiko längst nicht so groß, wie in der EU. Einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, so wie ich, versuchen gerade erst die Sache anzustoßen und die Leute entsprechend anzulernen. Denn die entsprechenden Regelungen gelten ja zum Beispiel in der EU. In Mexiko fangen manche aber gerade erst an, über Tierwohl nachzudenken, hier sind die Regelungen nicht wirklich bindend. Die große Herausforderung liegt hierbei darin, die Produzenten zu überzeugen.
EQA: Standards, Qualifizierung und deren Nachweise werden Teil der digitalen Welt: Prüfbar, vorzeigbar und vermarktbar. Sehen Sie diesen Prozess als Chance oder überwiegen die Risiken? Ist es in Mittel- und Südamerika Zeit, über Digitalisierung nachzudenken?
Prof. Dr. Emma Maldonado: Natürlich gibt es die Möglichkeit das möglicherweise auch bei uns zu starten. Die Digitalisierung ist am ehesten etwas für die Unternehmen, die ihre Waren exportieren. Und sie ist für die Firmen wichtig, die in speziellen Märkten und Touristengegenden aktiv sind. Für den Rest der Unternehmen bei uns gilt aber: Zuerst braucht es eine gute Ausbildung, danach kann man über die Digitalisierung sprechen. Und für uns als Wissenschaftler gibt es noch eine Herausforderung: Wir arbeiten ja sowohl mit den Unternehmen (Produzenten, der Industrie, etc.) zusammen, also auch mit der Regierung. Von allen Bildungsanbietern sind die Angebote der Regierung meiner Meinung nach die besten. Aber auch sie brauchen eine international anerkannte Zertifizierung. Und es gibt noch einen Punkt: In Chile wird jeder einzelne Mitarbeitende ausgebildet und zertifiziert. In Mexiko nehmen nur einige die Ausbildung wahr und geben ihr Wissen dann an die anderen Mitarbeitenden in der Firma weiter – die sind dann natürlich nicht zertifiziert. I denke, dass jeder/jede die Chance haben muss, seine/ihre Ausbildung zertifiziert zu bekommen. Dazu müssen wir viel Überzeugungsarbeit leisten und wer die Zertifikate möchte, sollte einfach danach fragen, zum Beispiel eben bei EQAsce.