
Prof. Dr. Brigitte Petersen
EQAsce wünscht zum 20. Geburtstag alles Gute und blickt auf viele Jahre guter Zusammenarbeit zurück. So wie GIQS e.V. feiern auch weitere Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen – zum Beispiel die QS GmbH oder auch die Qualitype GmbH.
Prof. Dr. Brigitte Petersen war seit der Gründung im März 2001 die Vorstandsvorsitzende von GIQS und ist seit 2016 die Versitzende des Aufsichtsrats der deutsch-niederländischen Forschungs- und Entwicklungsplattform.
EQAsce: Was war der Anlass für die Gründung eines Vereins in der Euregio und wer waren die Gründungsmitglieder bzw. Partner der ersten Jahre?
Dr. Petersen: Die Treibenden für Investitionen in deutsch-niederländische grenzübergreifende Forschung und Entwicklung waren zunächst Ende der 90iger Jahre Wissenschaftler*innen der beiden Universitäten Bonn und Wageningen. Die Gründung einer gemeinsamen F&E-Plattform in der Euregio Rhein-Waal fiel in die turbulente Zeit der BSE- und weiterer Lebensmittelkrisen und des Paradigmenwechsels der Eigenverantwortung der Wirtschaft im gesundheitlichen Verbraucherschutz.

Die Gründung des gemeinnützigen Vereins GIQS im März 2021 als erstes Public-Private-Partnership-Netzwerk in Europa machte es möglich, dass das Thema Einzel- und überbetriebliches Qualitätsmanagement in das EU Interreg III A -Programm aufgenommen wurde. Die Themen Abbau von Handelshemmnissen im gemeinsamen EU-Markt und die Einführung des Euros Anfang des Jahrtausends haben alle Branchen beschäftigt. Doch insbesondere die klein- und mittelständisch strukturierte Agrar- und Ernährungswirtschaft in der Euregio benötigte schnelle organisatorische, technische und fachlich Unterstützung durch Wissenschaft und Verwaltung.
Die Gründungsmitglieder von GIQS waren deshalb auch neben den beiden Universitäten Bonn und Wageningen die Landwirtschaftskammern in NRW und Niedersachsen, Tiergesundheitsdienste und Veterinärämter, genossenschaftlich organisierte Erzeugergemeinschaften und Schlachthöfe auf deutscher und niederländischer Seite, der Kreis Kleve, Productschappen sowie privatwirtschaftliche Systementwickler und Dienstleister. Auch eine Reihe damaliger Start-up-Unternehmen schlossen sich dem Netzwerk GIQS an wie die QS-GmbH, die Qualitype AG oder Chainfood b.v. und beteiligten sich aktiv an den Projekten der ersten Jahre.
Bis heute ist die Struktur des Vereins als Public-Private-Partnership-Netzwerk erhalten geblieben und die in der Satzung festgesetzten Ziele – Förderung von Gemeinschafts- und Verbundprojekten, Wissenstransfer und Bildung – so aktuell wie vor 20 Jahren. GIQS hat sich in den letzten Jahren aktiv am Aufbau weiterer internationaler Netzwerke beteiligt und war Initiator und Impulsgeber für zahlreiche neue Formen der Projektzusammenarbeit.

EQAsce: Was treibt die GIQS Mitglieder an, über zwei Jahrzehnte sich immer wieder neuen Herausforderungen in der grenzübergreifenden Zusammenarbeit zu stellen?
Dr. Petersen: Die Mitglieder haben eine gemeinsame Vision: Grenzen überwinden! Der Erfolg der letzten Jahre motiviert alle GIQS Mitglieder und neuen Projektpartner, sich immer wieder als starke Gemeinschaft den nächsten Herausforderung gemeinsam zu stellen. Denn in den letzten Jahren ist es in den mehr als einem Duzend von Verbundprojekten (Folie Zeitstrahl mit Projekt-Logos) dem GIQS Team immer wieder gelungen
- Grenzen zwischen unterschiedlichen Fachdisziplinen,
- Grenzen im Kompetenz- und Verantwortungsbereich von öffentlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren,
- Landesgrenzen, geprägt durch unterschiedliche Sprache und Arbeitsbedingungen,
durch die eigene interkulturelle Kompetenz bei der Koordination und finanziellen Projektabwicklung immer weiter abzubauen und nachhaltig zu überwinden.

EQAsce: Seit über einem Jahr leben wir aufgrund der Corona-Pandemie weltweit in einem Ausnahmezustand. Aber auch andere Krisenereignisse, wie der Klimawandel, gehören zur aktuellen Debatte. Wie unterscheidet sich die Krisensituation von vor 20 Jahren von der, vor der wir heute stehen? Und welchen Beitrag kann GIQS heute leisten, um die Krisenbewältigung zu beschleunigen?
Dr. Petersen: Heute leben wir in einer viel zitierten VUCA-Welt, die neue Anforderungen an Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung in der D-NL Grenzregion stellt. Die Covid-19 Pandemie und die Klimakrise lassen uns alle täglich die VUCA-Welt spüren. Das Akronym VUCA kann aus der ursprünglich eher pessimistischen Sichtweise in eine optimistische umgekehrt werden. Dies gelingt, wenn man den vier Buchstaben der Worte zur Situationsbeschreibung die vier Buchstaben von Zukunftsstrategien entgegenstellt. Eine Zukunftsstrategie von GIQS war es immer – und ist es auch heute noch – in einer Krise immer auch eine Chance zu sehen:
-
- Vision against Volatility (Volatilität)
- Understanding (Verstehen) against Uncertainty (Unsicherheit)
- Clarity (Klarheit) against Complexity (Komplexheit)
- Agility (Agilität) ) against Ambiguity (Mehrdeutigkeit)
Insbesondere Flexibilität und schnelles Handeln zeichnen die Entscheidungsgremien von GIQS aus. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, setzt das Public-Private-Partnership-Netzwerk GIQS dabei neben neuen Technologien nach wie vor auf die umfangreiche Erfahrung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit und das Wissen wie man gemeinsam mit Veränderungen umgehen kann und neue Herausforderungen meistert. Dabei Forschung, Innovation und Bildung durch die Mitglieder im Netzwerk zu verbinden wird auch in den nächste Jahren ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Verstetigung des Vereins sein, wenn es gilt, einen Beitrag zu den Nachhaltigkeits- und Klimazielen nicht nur für die nächsten Generationen in der Grenzregion, sondern auch weltweit, zu leisten.
EQAsce: Was wünschen Sie GIQS für die Zukunft?
Dr. Petersen: Ich wünsche dem GIQS-Führungsteam im Vorstand, dass es die derzeitige Krisensituation wie der ehemalige Vorstand als Chance nutzen kann. Sich dabei auf ein Netzwerk verlassen zu können, das sich engagiert für den Paradigmenwechsel einsetzt, Schutzverpflichtung künftiger Generationen nicht nur zu fordern, sondern auch Wege zu finden, sie umzusetzen, ist ein weiterer Wunsch für die Zukunft. Vor 20 Jahren waren es die vielen Mitstreiter*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Branchenverbänden, die sich für einen Paradigmenwechsel hin zur Eigenverantwortung der Wirtschaft im gesundheitlichen Verbraucherschutz stark gemacht haben. Auch heute wünsche ich dem Netzwerk, verlässliche, motivierte Partner*innen bei der Weiterentwicklung der grenzübergreifenden Forschungs- und Entwicklungsaufgaben und beim Wissenstransfer zu finden.