Herr Dr. Becker ist als von der Landwirtschaftskammer NRW öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bodenkunde und Bodenschutz seit vielen Jahren tätig. Er ist Inhaber eines Sachverständigen-Ingenieurbüros für Schadensanalysen und Prävention, das sich aus einem ursprünglichen Bodenanalyse Labor für den Bereich Landwirtschaft, Gartenbau, GalaBau und angrenzende Gebiete weiterentwickelt hat. Heute berät er als gefragter Sachverständiger sehr unterschiedliche Unternehmen und Privatpersonen, die seine gutachterlichen Stellungnahmen und seinen fachkundigen Rat benötigen. Als öbv Sachverständiger erstellt er in seinem Bestellungsbereich Bodenkunde/Bodenschutz auch Gutachten für Gerichte und öffentliche Einrichtungen.
EQAsce: Warum sind Sie nach der Flutkatastrophe an der Ahr und an der Erft von der Initiative „Pack-an“ – einer Kooperation von Medien Bonn und EQAsce – als Experte angesprochen worden?
Dr. Becker: Der Europäischen Genossenschaft EQA – ausgerichtet auf die Qualifikation von Nachwuchs- und Führungskräften in der Agrar- und Ernährungswirtschaft – sind meine Dozenten- und fachübergreifende Gutachter-Tätigkeiten bereits länger bekannt. Einige aus der Region sprachen mich auch auf die Zusammenarbeit mit meinem, leider verstorbenen Fachkollegen, Dr. Hubert Schulte-Karring von der Versuchsanstalt für Weinbau in Ahrweiler, an. Er ist der Entwickler des Ahrweiler Meliorationsverfahrens. Dies wurde von ihm in Zusammenarbeit mit den Odenwaldwerken aus Moosbach als Abbruchlockerer MM100 entwickelt und gebaut. Gemeinsam haben wir dann Sanierungsverfahren unter Nutzung des Geräts nach Gerätemodifikation mit einer Schweizer Firma für Bodensanierung und der ABC Spezialeinheit der Bundeswehr sowie Herstellern von mikrobiologischen und chemischen Bodenhilfsstoffen weiterentwickelt. Bei der Dekontamination von Böden nach Überschwemmungen und anderen Schadensereignissen ist das Verfahren häufig in den letzten Jahren erfolgreich eingesetzt worden.
EQAsce: Sie haben bei unserer vor Ort Begebung mit Betroffenen der Flutkatastrophe an der Ahr gesprochen. Welchen Eindruck hatten Sie von der Situation vor Ort?
Dr. Becker: Das außergewöhnliche Ausmaß der Schäden im Ahrtal wird erst durch persönliche in Augenscheinnahme vor Ort erkennbar. Aus den persönlichen Gesprächen mit den Betroffenen wurde die große Dankbarkeit für die schnellen Soforthilfen von Freiwilligen und ehrenamtlich tätigen Ersthelfern deutlich. Ohne den selbstlosen und über Wochen unermüdlichen Einsatz von Lohn- und Bauunternehmen wäre es nach Ansicht der Gesprächspartner nicht möglich gewesen, den schon freigeräumten Zustand herzustellen, den wir vier Wochen nach der Flutnacht gesehen haben.
Die Winzer und Gastronomen, mit denen wir gesprochen haben, sind sich darüber klar, dass es einen Zustand wie vor der Flut nicht mehr geben wird. Es überwiegt aber der ungebeugte Wille, gemeinsam die Kulturlandschaft Ahr, geprägt durch die Markenzeichen Weinbau und Tourismus, wieder auferstehen zu lassen. Befürchtet wurde allerdings, dass trotz bereits jetzt hohem Spendenaufkommen und in Aussicht gestellten Wiederaufbauhilfen von Bund und Ländern, die zukünftigen Planungen an Ihnen vorbei gehen.
Quelle: Dr. Klaus Becker Gutmühle
EQAsce: Welche kurzfristigen und notwendigen Schritte für eine konzertierte Planung des Wiederaufbaus schlagen Sie vor?
Dr. Becker: Vor dem Wiederaufbau steht immer eine fachübergreifende, intensive Sachstands- und Schadensaufnahme.
Folgende Kategorien der Betroffenheit sind dabei gleichzeitig zu betrachten, räumlich darzustellen und hinsichtlich der Dringlichkeit der Wertermittlung zu bewerten. Was ist damit im speziellen gemeint: Sachstandsaufnahme mit Hilfe von topografischen Spezialkartenaufnahmen im Abgleich mit den Vorort Lagen.
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- Abgleich der betroffenen Areale über Luftbildkartografie vom Zeitraum vor und nach der Flut zur räumlich bildlichen Darstellung und Vergleich betroffener Areale.
- LIDAR-Aufnahmen vor und nach der Flut und rechnerische Differenzhöhendarstellungen. Damit lassen sich abgeschwemmte und überschwemmte Bereiche kategorisieren, um Sanierungs- und Meliorationsverfahren für insbesondere mein Fachgebiet betreffende weinbaulich und landwirtschaftlich genutzte Flächen ausarbeiten zu können. Selbstredend gilt das für alle anderen betroffenen Schäden.
- Abgleich dieser Spezialkartenauswertungen mit den amtlichen Baugrundbodenkarten, Flurkarten und Bodenwertkarten zur Eigentums-/Nutzungsdarstellung sowie Schadens- und Wertermittlung.
- Abgleich mit den ö. r. Planungsregularien wie: Bebauungsplänen, Gebietsentwicklungspläne, Landschafts-/Landschaftsschutz-/Naturschutzpläne, Wasserschutzzonenausweisungen u. a..
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Gefragt ist dabei die Bündelung der Expertise von Hochschulen, Vermessungsämtern, verantwortlichen Ämtern für Flurbereinigung, Boden- und Wasserverbände u.a..
Eine bedeutende Kompetenz wird hierbei dem Geoinformationsdienst der Bundeswehr zugeschrieben. Denn der ist heute bereits in der Lage, mit seinen Einrichtungen und Ausstattungen (Luftbildaufklärung), wertvolle Daten zur Aufklärung von Sachständen zu liefern. Angehörige der CIR- (Cyber-& Informationsraum) Einheit helfen heute schon in Hochwassergebieten. Die Zusammenführung dieser Daten ist für einen zielführenden von den Betroffenen gewünschten Wiederaufbau unabdingbar.
Nur in enger Abstimmung mit vielen an der Planung und Durchführung von Maßnahmen Beteiligten, lassen sich Planungsirrwege minimieren. Aus meiner Erfahrung aus anderen Projekten des Wiederaufbaus kann dies nur gelingen, wenn die ins Leben gerufene Plattform für Soforthelfer um Experten in der von EQA koordinierten Fach Task Force erweitert wird. Es handelt sich hierbei um Personen mit Kompetenzen aus öffentlich geförderten Verbundprojekten, Fachbehörden, Fachdiensten, aber auch jenen, die mit der Ausführung von Maßnahmen befasst sind, wie Bauunternehmen, Lieferanten von Baustoffen, Architekten, Städte-/Landschaftsplanern und vielen weiteren engagierten Helfern.