Auf Initiative der beiden Netzwerke EQAsce und GIQS e.V. haben sich am 24. November erstmals Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen laufenden F&E-Projekten und grenzübergreifenden Netzwerken im Universitätsforum Bonn zu einem hybriden „Runden Tisch“ getroffen. Der Kreis der Teilnehmenden hat sich dabei zum Ziel gesetzt, Synergien untereinander zu identifizieren und diese als Grundlage für eine engere zukünftige Zusammenarbeit auszubauen. Hierbei geht es ihnen insbesondere darum, gemeinsam eine integrierte Förderung zwischen den Programmen Horizont Europa und den Europäischen Strukturfonds zu nutzen. Für das Etablieren neuer grenzübergreifender Public-Private-Partnership-Strukturen im Krisenmanagement sind beide Programme zentral. Mit einer integrierten Förderungs- und Finanzierungsstrategie – so der Tenor der Teilnehmenden – lassen sich sehr viel effizienter als bislang möglich weitere vielversprechende Innovationen in diesem wichtigen Handlungsfeld schaffen.
Digitale Lösungen für die Krisenkommunikation
Vor allem die Akteure der im April 2022 gestarteten Initiative Modellregion Wiederaufbau und Resilienz (>>WiR) versprechen sich hiervon eine Hebelwirkung und Fördergelder für die grenzübergreifende Weiterentwicklung ihrer innovativen digitalen Lösungen für die Krisenkommunikation. „Über die erstmals in der Programmperiode 2021-2027 mögliche kumulierte Förderung ließen sich künftig Investitionen in für die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz strategisch dringend notwendigen neuen digitalen Public-Private-Partnership Strukturen erhöhen. Auf diese Weise unterstützen die Länder gleichzeitig die Internationalisierung ihrer Forschungs- und Innovations-Cluster“ so Prof. Dr. Brigitte Petersen von EQAsce. Auf ihre Einladung hin kam die Runde zu Stande. Die Eingeladenen aus Wissenschaft, Wirtschaft und kommunaler Verwaltung gehören überwiegend zu den Kern- Konsortien dreier in diesem Jahr von EQAsce und GIQS e.V. gestarteten PPP-Projekt-Initiativen:
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- WiR.Regionen
- Cloud-Plattform- Pandemie-Prävention
- Koordinations- und Fachstelle „doppelte Transformation“ (digitale Transformation und Nachhaltigkeit)
In allen drei Vorhaben steht der zeitgleiche digitale Wandel von behördlich-kommunalen Einrichtungen sowie von ortsgebundenen landwirtschaftlichen Betrieben im Fokus. Entstanden sind die drei Initiativen mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Verantwortung bei der Krisenbewältigung gerade im systemrelevanten Bereich der Agrar-und Ernährungswirtschaft. Denn es hat sich gezeigt, dass gerade landwirtschaftliche Betriebe vom multiplen Krisengeschehen wie Naturkatastrophen und Pandemien in besonderer Weise wirtschaftlich betroffen sind. Gleichzeitig sind sie aber auch essenzieller Teil der Problemlösung. Ein Beispiel sind schadstoffbelastete Kulturflächen und Böden als Folge der historischen Flutkatastrophe von Juli 2021 an der Ahr und weiteren Flüssen und Bächen in der Eifel und im Rheinland. Damit verbunden für den landwirtschaftlichen Betrieb sind bislang noch nicht zu beziffernde wirtschaftliche Schäden aufgrund ihres sich auf Jahre abzeichnenden Ausfalls von Erträgen der zerstören Flächen. Bei der Sanierung der Böden sind gleichzeitig das landwirtschaftliche Fachwissen, die Methoden und die Technik gefragt, um kurz- und mittelfristig Risiken für die Lebensmittelsicherheit und die Trinkwasserreserven auszuschließen zu können. Ein anderes Beispiel ist die Ausbreitung von Pandemien wie Corona, die Afrikanische Schweinepest und Geflügelpest. Sie brachten für viele landwirtschaftliche Betriebe in den letzten 24 Monaten Engpässe in den Lieferketten und Handelseinschränkungen mit sich und damit ebenso hohe wirtschaftliche Verluste. Durch das angeordnete Keulen auch gesunder Tiere nach Bestätigung des Ausbruchs einer Tierseuche in einem Landkreis sind in letzter Zeit trotz Entschädigungszahlungen vielerorts existenzbedrohliche Situationen für landwirtschaftliche Betriebe entstanden. Gleichzeitig sind die Defizite in der digitalen Kommunikation zwischen tierhaltenden Betrieben Veterinär- und Gesundheitsämter klar zu Tage getreten.
Die Rolle der digitalen Transformation
Warum in beiden Fällen – Naturkatastrophen und Pandemien – Krisenprävention und Krisenbewältigung in diesem Zusammenhang auch Beschleunigung der digitalen Transformation bedeuten kann, haben fünf Teilnehmer am „Runden Tisch“ in ihren Statements sehr eindrucksvoll dargestellt.
Dr. Klaus Becker und Dr. Heiner Hoogen als Mitglieder der nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 ins Leben gerufene Fach Task Force Wiederherstellung landwirtschaftlicher Bodenwerte gingen darauf ein, wie mit Hilfe moderner Techniken die Komplexität der Erfassung und Bewertung von Schäden, Sanierungsmaßnahmen und schließlich auch die Zertifizierung des Sanierungserfolges erheblich beschleunigt werden können.
Ansätze für Synergien im Wiederaufbau- und Neuaufbau zwischen der EQA- Fach Task Force und der IQIB GmbH sieht Dr. Bert Droste-Franke. Im Institut für qualifizierte Innovationsforschung und -Beratung (IQIB) koordiniert er das Projektbüro für das Ahrtal in Rheinland-Pfalz im Rahmen des BMBF-Projektes KAHR: Klima-Anpassung, Hochwasser, Resilienz. Das BMBF fördert dieses Projekt noch bis 2026 aus Mitteln der Strategie „Forschung für nachhaltige Entwicklung (FONA)“. Ziel ist es, konkrete Maßnahmen für einen klimaneutralen Neuaufbau der betroffenen Regionen zu entwickeln. Das IQIB als hundertprozentige Tochter des Projektträgers DLR dient dabei als Kontaktstelle zwischen Wissenschaft, Politik und regionalen Akteuren.
Siegfried Klein, Geschäftsführer der Firma EITCO und Mitglied im Netzwerk EQA und Ole Wienke vom Helmholz-Zentrum für Infektionsforschung und gleichzeitig diesjähriger Gewinner der GovUp-Auszeichnung für sein Start Up Unternehmen präsentierten zwei Lösungsansätze für die Digitalisierung von Arbeitsabläufen in und mit öffentlichen Einrichtungen. Ole Wienke demonstrierte digitale Lösungen zum Aufbau von Frühwarnsystemen für Gesundheitsämter. Siegfried Klein erläuterte, wie über die erste auf landwirtschaftliche Betriebe zentrierte und von EQAsce betriebene Cloudplattform in Europa über ein Service Portal landwirtschaftliche Betriebe und kommunale Veterinärämter webbasiert miteinander kommunizieren können. Beide digitalen Lösungen dienen sowohl der Krisenprävention als auch der schnellen Krisenbewältigung und gehen 2023 in den Praxistest.
Public-Private-Partnerships als struktureller Lösungsansatz
Forschung und Innovation spielen heute schon eine zentrale Rolle für die bundesländerübergreifende Region um die Forschungs- und Bundesstadt Bonn mit dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Kreis Ahrweiler. Der Aufbau notwendiger Kapazitäten und Ökosysteme für Public-Private-Partnership-Strukturen in den Handlungsfeldern digitale Transformation, One Health und regionale Entwicklung stehen dabei im Vordergrund. Mit höherwertigen wissensintensiven Maßnahmen (Smart Specialization) bauen die drei eng miteinander verbundenen agrarischen Netzwerke GIQS e.V., Bonn.realis und EQAsce deshalb derzeit ein gemeinsames virtuelles Cluster-Management in der Region auf ( hier Link zu Wissen kompakt TriangleNet.NRW 2 agrarische Netzwerke).
Den ersten „Runden Tisch“ moderierte Dr. Ulrich Harmes Liedtke vom weltweit agierenden Dienstleistungsunternehmen Mesopartner. Das Unternehmen hat sich auf den Wissenstransfer zur Stärkung der Innovationskraft von Unternehmen und Regionen bezogen auf ihre strategischen Entwicklung spezialisiert.
Die Roadmap
Ein wichtiger Meilenstein zur Umsetzung der geplanten Public-Private-Partnership-Vorhaben ist eine gemeinsame Interessensbekundung zur Durchführung von Veranstaltungen im Rahmen „Cluster meets Region“. Der nächste Aufruf der European Cluster Collaboration Plattform (ECCP) im April 2023 soll gemeinsam mit Teilnehmenden weiterer „Runder Tische“ vorbereitet werden. Hinter „Cluster meets Region“ werden Teams aus Clusterorganisationen und ihren politischen Entscheidungsträgern gesucht, die eine Serie von Veranstaltungen durchführen. Bei den Veranstaltungen kommen nationale und regionale Cluster und politische Entscheidungsträger zusammen, um Erfahrungen auszutauschen, neue Partnerschaften zu schließen und voneinander zu lernen. Ziel ist die Stärkung von industriellen Ökosystemen, Störungen in Lieferketten zu beheben, den grünen und digitalen Wandel voranzutreiben, sowie die Stärkung der regionalen Resilienz.
Nach Recherchen von EQAsce gibt es bislang keine Cluster-meets-Region-Aktivität im Bereich Public-Private-Partnership-Strukturen im Krisenmanagement in Europa. Deshalb verspricht sich die im April diesen Jahres gestartete Initiative Modellregion Wiederaufbau und Resilienz (WiR) als Beispiel der Zusammenarbeit zweier von der Flutkatastrophe betroffener Bundesländer Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen Strahlkraft auch für andere Regionen in Europa.