Interview mit Frau Prof. Dr. Brigitte Petersen
Ihr Leitsatz ist – vermitteln, vernetzen, verstärken – unter diesem Motto konnte die EQAsce -Vorstandsvorsitzende im März zwei persönliche Jubiläen begehen.
Im Interview beantwortet sie uns die Fragen, warum sie das 100. Semester an der Universität Bonn „vollgemacht“ hat,
- sie vor 25 Jahren Mitglied bei der DGQ- Deutsche Gesellschaft für Qualität wurde und
- sie sich heute im genossenschaftlichen Verbund für Future-Skills stark macht.
EQA: Im Moment erleben Sie – wie Sie sagen – als EQA-Vorstandsvorsitzende bei ihrer gestarteten Bildungsoffensive ein Déjà-Vu. Inwieweit ähneln sich die Ausgangsbedingungen für die Einführung neuer Weiterbildungsprogramme heute und vor 25 Jahren?
Prof. Dr. Petersen: Vor 25 Jahren waren es die fehlenden Qualitätsmanagement-Kompetenzen, die in der Agrarwirtschaft neue Zusatzausbildungen für Führungskräfte bei der Umsetzung des Produkthaftungs-Gesetzes und des EU- General Food Law notwendig machten. Die Lücke an entsprechenden Bildungsangeboten schloss damals eine Kooperation der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) mit der Gesellschaft für Qualitätswissenschaften (GQW). Ich bin Mitglied in beiden Gesellschaften und davon haben hunderte von Studierenden an der Universität Bonn profitiert. Denn es wurde eine branchenspezifische, studienbegleitende Zusatzausbildung zum DGQ-Quality System Manager Junior auf den Weg gebracht und standardisiert. Vielen engagierten Studierenden in mehr als zwei Jahrzehnten hat dieses, bis auf das Zertifikat kostenlose Angebot, ungeahnte neue Karrierechancen eröffnet. Heute brauchen Nachwuchs- und Führungskräfte in der Agrar- und Ernährungswirtschaft erneut maßgeschneiderte Zusatzqualifikationen. Diesmal geht es um den Kompetenzaufbau, um mit den Anforderungen der EU-Richtlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und den Herausforderungen der Digitalisierung richtig umgehen zu können. Es sind also in beiden Fällen Gesetzesänderungen auf EU-Ebene, die den Anstoß für einen tiefgreifenden Wandel im Weiterbildungsbereich gaben und geben. Vor 25 Jahren und heute müssen schnell Lücken geschlossen, Strukturen geschaffen und Weiterbildungsstandards gesetzt werden. Hierzu sind tragfähige Wirtschaft-Wissenschaft-Kooperationen im Bildungsbereich erforderlich. Mit der Europäischen Genossenschaft EQA haben wir hierfür 2018 den Grundstein gelegt.
EQA: Warum bringt gerade die Aufforderung an die Agrarbranche zur „doppelten Transformation“ – also Nachhaltigkeit und Digitalisierung gemeinsam betrachtet – Berufseinsteigern neue Karrierechancen?
Prof. Dr. Petersen: In der Agrarwirtschaft herrscht derzeit auf allen Führungsebenen ein spürbarer Fachkräftemangel. Gleichzeitig stehen in den meisten Unternehmen einschneidende Generationswechsel bevor. Dringend gesucht werden Nachwuchskräfte, die bereits neben Studium oder während des Berufseinstiegs gezeigt haben, dass sie Strategien zur Problemlösung entwickeln und in interdisziplinären Teams arbeiten können. Mit der „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) der EU entstehen neue Berichtspflichten über drei Hauptaspekte. Das sind Umwelt-, Sozial- und Governance (ESG) Aspekte sowie die Notwendigkeit einer Prüfung der berichteten Informationen. Hinzu kommt die Herausforderung, eine Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen, um zu bestimmen, welche Themenbereiche überhaupt relevant und damit zu berichten sind. Diese Analyse erfordert Methoden-Kompetenz und Einarbeitungszeit.
Deshalb haben wir zwischen EQA-Academy und GenoAkademie eine neue Kooperationsstruktur in der Fort- und Weiterbildung in diesem Jahr geschaffen. Gemeinsam bieten wir ein Trainingsprogramm erstmals für jene an, die verantwortungsvolle überbetriebliche Management-Aufgaben in regionalen Wertschöpfungspartnerschaften oder grenzübergreifenden >>Netzwerken haben oder anstreben.
EQA: Im März endete Ihr 100. Semester an der Universität Bonn.
78 Semester davon haben Sie als Professorin an der Landwirtschaftlichen Fakultät Ihrer Alma Mater gelehrt. Sie können also auf ein außergewöhnlich langes Wirken als Mitglied Wissenschaftlicher Gesellschaften mit Bildungsauftrag an der Universität Bonn zurückblicken.
Was waren die Beweggründe, seit dem Wintersemester 20/21 gemeinsam mit Ihrem Kollegen, Honorar Prof. Dr. Thomas Selhorst vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin, und Ihrer Kollegin, Prof. Dr. Beate Conrady (Infection Disease Epidemiology & Animal Health Economics) von der Universität Kopenhagen, ein neues Wahlfach „Modelle und Methoden im Krisen-, Risiko- und Qualitätsmanagement in Wertschöpfungsketten der Agrar- und Ernährungswirtschaft“ an der Bonner Universität für Studierende unterschiedlicher Studiengänge anzubieten?
Prof. Dr. Petersen: Es gab mehrere Gründe. Der wichtigste Grund war die Nachfrage der Studierenden nach der >>Zusatzausbildung zum EQA-Food Safety and Health Manager oder aber zum EQA-Risk and Crisis Manager. Hinzu kommt, uns drei verbindet nicht nur, Alumni der Universität Bonn zu sein, sondern gleichzeitig eine lange internationale Forschungszusammenarbeit. In zahlreichen aus EU-Forschungsprogrammen und dem BMBF geförderten Projekten haben wir Handlungsfelder im Krisenmanagement definiert und die digitale Transformation der erforderlichen schnellen Kommunikationsprozesse auf den Weg gebracht. Hierzu gehört darüber hinaus die Entwicklung von Prognose- Modellen zur Planung von Maßnahmen bei der Krisenbewältigung. Aber auch wichtige Impulse zum Aufbau neuer digitaler Public-Private-Partnership Netzwerke im Krisenmanagement sind von uns in den letzten Monaten gesetzt worden. Mit diesen Forschungsergebnissen schließen wir die Lücke bei der Gestaltung der studienbegleitenden Zusatzausbildung für Nachwuchskräfte mit späteren überbetrieblichen Management-Aufgaben in der Agrar- und Ernährungswirtschaft.
In keiner Zeit zuvor war unsere gemeinsame Expertise bei der Ausbildung von Studierenden im >>Service Learning verbunden mit Teamfähigkeiten bei der Krisenbewältigung so gefragt wie heute. Seit dem Wintersemester 20/21 prägten die Krisenauslöser, wie Corona Pandemie, die Afrikanische Schweinepest und die Geflügelpest oder die historische Flutkatastrophe an der Ahr und anderen Nebenflüssen des Rheins, das Service Learning Konzept. Heute ist es das permanente multiplen Krisengeschehen in Europa und weltweit, das den Bedarf an gut ausgebildeten Führungskräften geradezu in allen Bereichen fordert.
Deshalb war ich bereit, „die 100 voll zu machen“ und dankbar, dass mich mein Kollege Prof. Dr. Thomas Selhorst und meine Kollegin Prof. Dr. Beate Conrady unterstützt haben.
EQA: Seit 25 Jahren sind Sie Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Qualität DGQ und blicken seit der Gründung von EQAsce auf eine konstruktive Kooperation bei der Weiterentwicklung studienbegleitender Zusatzausbildung im Qualitätsmanagement. Wird es weiterhin gemeinsame Doppelzertifikate zwischen der DGQ und der EQAsce an deutschen Hochschulen geben?
Prof. Dr. Petersen: Ja und hierüber freue ich mich sehr. Denn mit meiner Kollegin, Frau Prof. Dr. Stefanie Krieger-Güss, von der Hochschule Osnabrück ist uns als Netzwerk bereits im letzten Jahr ein nahtloser Übergang zwischen meiner langjährigen Vertretung der Interessen der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowohl in der Gesellschaft für Qualitätswissenschaften (GQW) als auch der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) hervorragend geglückt. Denn meine Kollegin ist gleichzeitig auch die Vorsitzende des EQA-Gremiums Studienbegleitende Weiterbildung und vertritt in der Lehre nicht nur das Fach Qualitätsmanagement, sondern seit diesem Jahr auch das Nachhaltigkeitsmanagement. Erste Absolventen und Absolventinnen ihrer Kurse der Zusatzausbildung erhalten schon im Mai unsere digitalen Zertifikate. Sie gehören auch zu der Gruppe von Studierenden, die neue Nutzer unseres Q-Guide-Q-CERT-Wallet Systems werden.
Es entstehen also heute wie vor 25 Jahren neue Karrieremöglichkeiten.